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"Potz Schwertfisch und 1000 Aale Oder: Eine unglaubliche Reise um die Welt"

Kapitel 33. Vier Tore und ihre geheimnisvollen Tafeln (In Asien)

Die Raben machten sich auf den Weg in die Stadt, die mit hohen Mauern aus rotem Backstein umringt war und an vier Stellen Tore hatte. Vor jedem Tor waren zwei zottelige, großgewachsene Affen mit Speeren in der Hand postiert. Schweigsam ließen sie die Raben hinein.
Da bemerkte Robin eine runde, kupferne Tafel mit eingeprägten Sonnestrahlen, die sowohl an der Außenseite, als auch an der Innenseite des Tores hing. Er kehrte zu den Wächtern zurück: „Verehrteste! Anscheinend ist das ein Wegweiser? Zeigt der vielleicht den Weg nach Osten, wo die Sonne aufgeht? Oder nach Westen, wo die Sonne untergeht?“ Doch die Wächter würdigten ihn keines Blickes.
Etwas misstrauisch gingen Robin und Kai an der Stadtmauer entlang zum zweiten Tor. Auch hier hing sowohl an der Außenseite, als auch an der Innenseite des Tores eine Tafel. Darauf waren hohe Wellen eingeprägt. „Verehrteste! Zeigt diese Tafel den Weg nach Osten, wo die Wogen des Stillen Ozeans gegen die Küste Asiens branden? Oder den Weg nach Norden zum Nördlichen Eismeer?“, erkundigte sich Robin bei den Wächtern. Wieder bekam er keine Antwort. Nachdem die Raben die halbe Stadt umrundeten, erreichten sie das dritte Tor. Als erstes schauten sie auf die runde, kupferne Tafel, darauf waren Hochgebirge eingeprägt. „Diese höchsten Berge unseres Planeten zu überwinden, um nach Hause zu kommen: Schaffen wir niemals!“, rief Robin mit Angst in der Stimme. Denn die schweigsamen Wächter mit ihren langen Speeren und diese rätselhaften Wegweiser weckten in ihm kein gutes Gefühl. Finster schleppten sich die Raben zum vierten Tor. Auch hier hing eine runde, kupferne Tafel, worauf ein Halbmond eingeprägt war. Auch hier scheiterte Robins Versuch, die Bedeutung des vierten Wegweisers zu erfahren. Hartnäckig wahrten die Wächter ihr Schweigen.
Kai murmelte niedergeschlagen: „Durch welches der Tore sollen wir denn morgen die Stadt verlassen? Welcher Ausgang ist der richtige, damit wir ohne Umwege nach Hause kommen?“ Robin, der sich ohne Orientierung schon wie ein Gefangener dieser Stadt fühlte, stöhnte: „Wenn bloß diese dichte Wolkenschicht am Himmel nicht wäre! Dann könnten wir den Heimweg tagsüber nach der Sonne, abends nach den Sternen bestimmen. Kai, ganz im Vertrauen! Meine Orientierung ist weg. Wahrscheinlich liegt es am Hochgebirge“, gestand Robin. Kai seufzte: „Meine ist ja auch weg.“ In diesem Augenblick knurrte Robins hungriger Bauch, und als Echo knurrte Kais Bauch mehrmals zurück. „Jetzt etwas zum Beißen zu bekommen, wäre nicht schlecht“, wünschten sich die beiden. Dieser natürliche Wunsch munterte sie auf. „Uns ist die Orientierung abhanden gekommen, aber nicht unser Appetit! Potz Schwertfisch und Tausend Aale! Und wenn der Appetit da ist, dann ist noch nicht alles verloren!“, rief Kai. „Schon nehme ich Küchendüfte wahr, die aus der Tiefe der Stadt herüberziehen!“, rief Robin erfreut. Wie zwei Spürhunde liefen sie immer ihrem Riecher nach und den vielen Düften entgegen. So gelangten sie auf einen Marktplatz, der an eine zweite Mauer aus weißen Steinen grenzte. Auf dieser Mauer wehten rote Flaggen, bestickt mit goldenen Drachen. Dahinter erhob sich ein turmhoher Palast. Der Palast sah aus, als wären mehrere kleine Häuser mit Schnabeldächern übereinander gestapelt. Das oberste verschwand in den Wolken.
Doch diese Küchendüfte! Ach, diese appetitlichen und fremden Düfte! Sie kamen aus blubbernden Kesseln, zischenden Bratpfannen und umhüllten den Marktplatz wie eine duftende Wolke. Hier herrschte reges Treiben: Käufer wurden an die Stände gerufen, Händler stritten mit Kunden bis zur Heiserkeit. Klingeling, landeten die Münzen in den Taschen der Männer. Klingeling, landeten sie in den Geldbörsen der Frauen.
Da bemerkte Robin ein Vögelchen im glitzernden Federkleid auf einem kleinwüchsigen Baum sitzend. „Sieh nur, Kai! Was für ein schönes Vögelchen!“, sagte er entzückt. Auch Kai war hin und weg: „Mir bleibt die Spucke weg. Es lächelt uns sogar zu!“
Verbeugend stellte sich das Vögelchen vor: „Soul-Li – ich bin ein Singvogel!“ Die Raben verbeugten sich ebenfalls. „Kai Kreks aus Europa!“ „Robin Rabs! Wir sind beide aus Nordeuropa.“ Singend erzählte ihnen das Vögelchen: „Wir haben hier auch einen Raben, einen sehr weisen! Nur er allein darf den goldenen Spazierstock tragen, auf dem mit roter Tusche das Zeichen der besonderen Gunst unseres Herrschers steht.“ Neugierig wie er war, fragte Kai: „Ist das ein geheimes Zeichen?“ „O, das Zeichen ist nicht geheim. Es bedeutet: ‚Wenn ich den Palast betrete, so bringe ich euch die Weisheit!“, zwitscherte das Vögelchen im melodischen Ton.
In diesem Augenblick wollte Robin nach der Bedeutung der vier Tafeln fragen, da ertönte
plötzlich ein befehlender Ruf von der Palastmauer: „Hey, Wache! Ergreift die zwei Raben! Werft sie ins Gefängnis!“ Die Affen, die bis dahin reglos wie Baumstümpfe auf dem Markt standen, erhoben ihre langen Speere. Unverzüglich stürzten sie sich auf die Raben, um den furchtbaren Befehl auszuführen. Das ging so schnell, dass weder Robin noch Kai sehen konnten, wer diesen Befehl gegeben hatte. Also blieb der Gegner unerkannt.
Ohne zu zögern flogen die Raben hoch, noch ehe sie an Höhe gewonnen hatten, hörten sie das Zischen der vorbeifliegenden Speere neben sich. Rasch flogen Robin und Kai um eine Ecke. Sie kamen in eine Gasse, bogen in eine andere noch schmalere Gasse. Von dort aus gerieten sie auf einen stillen, kleinen Hinterhof, wo in einer Ecke eine rote Laterne brannte und in der anderen Ecke eine alte Truhe stand.
Husch, husch, waren beide in der Truhe verschwunden. Schwupps! Schlossen sie den Deckel über sich und hielten den Atem an. Irgendwo in ihrer Nähe erklang das Getrappel der Affen, das dumpf über die gepflasterten Straßen hallte. Dann war wieder diese Befehlsstimme zu vernehmen: „Soul-Li! Wo sind die zwei Raben hin?“